Was ist Clubhouse? Was hat es mit dem neuen sozialen Netzwerk auf sich? Und warum sollte ich davon wissen?
Zwischen Instagram, TikTok und Twitter sind die visuellen Seiten der sozialen Medien mittlerweile abgedeckt – Fotos, Text und Videos waren bisher Grundlage jedes bedeutsamen Netzwerks. Und wer in den letzten Tagen durch seine Timeline scrollte, hat eventuell bereits das ein oder andere Flüstern vernommen: über eine neue App, exklusiv und einzigartig – audio only. Clubhouse nennt sich die Plattform, die sich voll und ganz auf die wortwörtlichen Stimmen ihrer User verlässt und die Paul Davison und Rohan Seth schon vor einigen Monaten in den USA gelauncht haben.
Jeder Nutzer kann einen neuen „Raum“ eröffnen, eine Art Chatroom, in dem die Beiträge zum Hören allein bestimmt sind. So wird diskutiert und debattiert. Bisherige Themen fokussierten sich stark auf Business und Politik: Gründertalks, Expertenpanels und Gespräche mit Christian Lindner haben die App in Deutschland bisher geprägt.
Clubhouse – Wieso der Hype so groß ist
Die App erzeugt Aufsehen – hauptsächlich aus zwei Gründen. Der erste hat vor einigen Jahren einen passenden Titel erhalten: FOMO, the Fear of Missing Out. Die Exklusivität der App ist wörtlich zu nehmen: nicht nur benötigt man ein iPhone, da bisher keine Android App existiert, sondern Mitglied kann auch nur werden, wer eine Einladung erhält. Diese werden mittlerweile für bis zu 49€ auf Ebay angeboten! Und schon fragen sich alle, die keinen Zugang haben, was es mit dem neuen Trend auf sich hat und was da wohl so besprochen wird. Gefördert wird dies dadurch, dass auf anderen sozialen Netzwerken über die Plattform berichtet wird – sicher auch angeheizt durch entsprechende Features in Clubhouse.
Außerdem trifft das neue Netzwerk den Nerv der Zeit: das Phänomen Podcast verbreitet sich seit ein bis zwei Jahren wie ein Lauffeuer und gewinnt konsequent an Beliebtheit. Ein wenig Interaktivität in das Prinzip hineinzubringen, eröffnet nicht nur neue Türen, sondern lockert das Format auch weiter auf.
Kein Konzept war jemals so uninteressant für mich wie das von #Clubhouse und trotzdem bin ich pissed keine Einladung bekommen zu haben.
— Cassie (@LadyMariaNapier) January 17, 2021
Ich, beim Warten auf meine Einladung zu #Clubhouse pic.twitter.com/YRtmFX943g
— Prime Video DE (@PrimeVideoDE) January 18, 2021
Clubhouse – Evergreen oder One-Hit-Wonder?
Momentan herrscht große Aufruhr, doch kann sich Clubhouse einen dauerhaften Platz unter den gängigen sozialen Medien erkämpfen? Hier und da wird durchaus auch Kritik laut: Einerseits ist der Datenschutz der App stellenweise fragwürdig. Wer jemanden einladen möchte, erteilt Zugriff auf seine gesamte Kontaktliste und verteilt somit die Daten seiner Bekannten und legt die eigene soziale Blase offen. Zynisches Geflüster könnte natürlich erwähnen, dass auch die meisten anderen Apps diese Erlaubnis erhalten.
Viel interessanter vielleicht tiefergehende Anmerkungen: Audio wird viel gehört – von Privatleuten aber oft ungern publiziert. Ganze 17% der 14- bis 20-Jährigen leiden heutzutage an einer ausgeprägten Telefonphobie. Zu erwarten ist nicht nur, dass die Dunkelziffer höher ist, sondern auch dass es teils ebenso andere Altersgruppen betrifft. Außerdem ist hier nur die Rede von solchen, die tatsächliche Symptome (von zittrigen Händen bis Panikattacken) aufweisen – wie viele haben hingegen eine einfache Abneigung gegen die auf auditive Aspekte beschränkte Kommunikation? Seiner besten Freundin eine Sprachnachricht auf Whatsapp zu schicken ist eben auch etwas anderes, als tausenden von Nutzern seine Meinung auf diese Weise zu unterbreiten. Das muss Clubhouse nicht unbedingt aufhalten: sollten derartige Probleme auftauchen, kann es auf Dauer wie Youtube oder Twitch zu einer Plattform mit motivierten Content-Erstellern und hunderttausenden Fans mutieren.
Ein weiteres Argument betrifft ferner die Frage, wann die Inhalte konsumiert werden. Ist eine App neu und aufregend, widmen viele ihr gewiss einige Stunden ihrer Freizeit. Vielen anderen dauherfat beliebten Netzwerken – Facebook, Instagram oder Twitter zum Beispiel – liegt aber ein Prinzip zugrunde, dass es erlaubt, die Inhalte im Hintergrund zu konsumieren. Ist dies nicht der Fall – siehe Youtube – nimmt der Konsum viel Aufmerksamkeit in Anspruch. Clubhouse aber bespielt nur einen der fünf Sinne und bietet Raum für Ablenkung – ein Risiko, an das die Inhalte angepasst werden müssen. Genau wie Podcasts lässt sich den Räumen sicherlich beim Sport oder bei alltäglichen Aufgaben Konzentration schenken. Je nach Interaktionsbedürfnis sind das Beschäftigungen, die leicht kurz unterbrochen werden können. Clubhouse hat also ohne Frage eine Nische, in die es hineinschlüpfen kann – und in der es eventuell auch dauerhaft überleben wird.
Gerade in Zeiten Coronas bietet die App außerdem Potential: Messen entfallen, Networking-Events funktionieren über Zoom nur stockend und die Stimmen, die online zu Wort kommen, haben oft mehr Vortragscharakter als den einer Diskussion. Panels und ähnliche Konzepte lassen sich mit Clubhouse jedoch effektiv online umsetzen – das Netzwerk hat seinen Launch gut getimt.
Clubhouse – Wie ein soziales Netzwerk an Beliebtheit gewinnt
Bisher hat Clubhouse alles richtig gemacht. Welche Vor- oder Nachteile auf Dauer überwiegen, wird sich in den nächsten Monaten herausbilden. Vieles hängt von den Gründern und ihren Marketingstrategien ab, anderes von den Usern selbst. Eine Chance, sich in das soziale Repertoire der Mehrheit zu etablieren, hat die App auf jeden Fall. Das bedeutet für jeden Marketingexperten: Augen (und Ohren) offenhalten.