Kölsches Marketing in Corona-Zeiten...
„Un mir singe janz hösch för e besser Morje“ verkündet die Kölner Band Brings mit ihrem Song „Mir singe alaaf“ in ihrem Video, gedreht im Gaffel am Dom. Ein Motto, das die Kölsch-Brauerei in Pandemie-Zeiten haargenau beschreibt: denn das Unternehmen gestaltet sein Marketing flexibel und kreativ im Angesicht der weltweiten Krise. Gestern Abend war Thomas Deloy (Geschäftsleitung Marketing / PR bei Gaffel Kölsch) so freundlich, uns davon zu berichten: im hauseigenen Streamingkanal des Marketing Club Köln-Bonn, der für diesen Vortrag mit uns kooperiert hat.
Das Jahr begann nicht ohne Hindernisse: „Hätte man uns gesagt, dass am 16. März 2020 alle Gaffel Gastronomien geschlossen sind, hätten wir wahrscheinlich darüber gelacht und es nicht ernst genommen. Leider war es aber genau so.“ Für die Brauerei eine Katastrophe: jedes dritte gezapfte Kölsch kommt aus ihrem Hause, die Gastronomie macht den Großteil Ihrer Einnahmen aus.
Und war der erste Lockdown endlich vorbei, ist die nächste Schwierigkeit zu meistern: neue Vorschriften und Investitionen in Desinfektionsmittel, Trennwände, Personal. Hatte man sich daran gewöhnt, kam schon der zweite Lockdown. Außerdem entfallen 2020:
- Der Bedarf für die üblichen 20 Mio. Bierdeckel, die Gaffel im Monat herstellt und auch für die Kommunikation nutzt.
- Events wie Konzerte, Jeck im Sunnesching etc.
- Große Verkaufsförderungsmaßnahmen, zum Beispiel im Rahmen der EM
Die Lösung für Gaffel Kölsch heißt: um die Ecke denken. Jede Möglichkeit, die entfällt, wird durch neue Ideen ausgeglichen. Und das funktioniert so:
- Social Media: Aktionen wie das #BalkonKölsch regen Fans aktiv zum Biertrinken an. Sie werden aufgefordert, das Beste aus der Situation zu machen und sich mit einem Kölsch auf private Außenflächen zu begeben – maximale Entspannung, minimales Risiko. Außerdem teilt Gaffel Content, der für seine Follower unterhaltsamen Mehrwert hat: Rezepte mit dem beliebten Getränk zum Beispiel.
- Klare Positionierung: Corona möglichst wenig Chancen zu geben – das ist eine Haltung, die in all den Inhalten, lustig oder nicht, nie verloren geht. Gaffel Kölsch macht selbst am 11.11. klar: Bleibt zuhause, geht nicht raus, feiert nur im erlaubten und vernünftigen Kreise.
- Chancen ergreifen: Gelegenheiten werden bei Gaffel genutzt. Egal, ob ein Schwimmbad-Konzert, Auto-Kino oder ein Beamer in einem privaten Hinterhof, der der Nachbarschaft E.T. zeigt, das Unternehmen ist als Sponsor, Co-Organisator oder Ähnliches dabei.
- Digitalisierung: Was nicht mehr im echten Leben stattfinden kann, wird virtuell aufgeholt. So zum Beispiel die Lauffreunde, die sich nun auf Whatsapp absprechen und auf verschiedenen Wegen und zu verschiedenen Zeiten laufen – aber im Herzen noch gemeinsam.
- Social Responsibility: Bei der Herstellung von alkoholfreiem Bier bleibt hochprozentiger Alkohol zurück. Normalerweise verwendet die Firma diesen anderweitig, während Corona wurde er genutzt, um Desinfektionsmittel herzustellen. Die Einnahmen wurden an von Kunden gewählte Organisationen gespendet.
- PR: Jede Aktion wird von einem Pressetext begleitet, der von den Medien oft auch dankend angenommen wird – ein geschickter Umgang mit Corona ist einen Bericht wert, hat Mehrwert und dient auch Gaffel selbst als Werbung.
- Treueaktionen: Stammkunden und Co. bekamen ein Sixpack nach Hause geliefert – eine kleine, aber wirkungsvolle Geste.
- To Go: Im Gaffel am Dom wurde Essen zum Bestellen oder Mitnehmen angeboten. Wie für viele Gastronomien war das eine der wenigen Möglichkeiten, den Umsatz nicht komplett wegbrechen zu lassen.
- Zukunftsplanung: Zum ersten Mal bringt Gaffel dieses Jahr gleich zwei neue Produkte auf den Markt: Gaffel Lemon, ein Radler sozusagen, und Gaffel Wiess. Mehr Flaschenbier bedeutet: mehr Umsatz außerhalb der Gastronomie.
- Videos: Gaffel Kölsch produzierte mehrere Videos, die besonders in sozialen Medien Anklang fanden. Sprüche wie „Mit Abstand das beste Kölsch“ nehmen die Situation aufs Gerstenkorn und rufen den Namen der Marke ins Gedächtnis der Rezipienten. Die Mischung aus Humor und Ernsthaftigkeit, die die Firma im Angesicht der Pandemie nicht fallen lässt, kommt bei ihren Fans gut an.
Thomas Deloy konnte auch zugeben, wenn etwas nicht so funktioniert hat wie erwartet: wie etwa das Pittermänchen-Taxi. Gaffel auf Bestellung – selbst in 10-L-Fässern. Leider wurde das Angebot kaum genutzt und stieß sogar auf Vorwürfe: denn diese rauen Mengen motivieren zu größeren Feiern und bieten somit Chancen für Ansteckungen.
Trotzdem waren die Marketingkampagnen erfolgreich: ein großer Teil der in der Gastronomie wegfallenden Umsätze konnte kompensiert werden, Kunden wurden weiter an das Unternehmen gebunden und der Blick in die Zukunft ist entschlossen und motiviert. Am Ende des Vortrags bleiben entsprechend begeisterte Zuschauer zurück, die mit Lob den Livechat stürmen. Denn unterhaltsam und verständlich vorgetragen, konnten die Clubs einiges daraus mitnehmen: Inspiration, Motivation, Hoffnung und sogar ein wenig Amusement.