Mit Werten werben – Value Marketing unter der Lupe
Einen Apfel auf dem Wochenmarkt kaufen. Klingt wie eine einfache Aufgabe, oder? Doch meistens gibt es nicht nur einen Verkäufer, der Obst anbietet, sondern unterschiedliche Stände mit unterschiedlichen Vorteilen. Eugen Lakkas, Experte in Unternehmenskommunikation, stellt in unserem ersten Zoom Meeting die vier Marktfrauen unseres Szenarios vor:
- Der erste Stand bietet eine schöne Auswahl von Früchten hoher Qualität.
- Bei dem zweiten Stand sieht alles ein wenig unattraktiv aus, aber die Äpfel sind aus garantiert biologischem Anbau!
- Die dritte Marktfrau glänzt durch ihr Fachwissen und verteilt obendrein noch kostenlose Rezepte – Apfelkuchen wie bei Oma und leckere Marmelade.
- Der vierte Stand hat ein gewöhnliches Angebot, aber die Marktfrau schenkt Ihren Kindern Obst, scherzt viel und führt eine nette Unterhaltung mit Ihnen.
Ihre Entscheidung basiert auf Ihren Werten: Schätzen Sie Nachhaltigkeit vielleicht über Qualität, Persönlichkeit über Expertise? Oder ist es andersherum? Ob Sie von einer der Damen etwas kaufen, ist von den Kernwerten abhängig, die sie nach Außen trägt. Dies lässt sich einfach auf eine größere Skala übertragen: das Value Marketing für Unternehmen.

Die Gradwanderung der Werte
Dies für Ihr Marketing zu nutzen, hält jedoch seine Tücken bereit. Wer sich daran probiert – was sich oft nicht vermeiden lässt – stößt meistens auf Probleme: die Wenigsten können in einem Satz beschreiben, was ihr differenzierendes Markenversprechen ist – was unterscheidet Sie von anderen und was reizt Ihre Kunden? Außerdem taucht die Frage auf, was für die eigene Firma Authentizität bedeutet. Denn wenn die Bemühungen um ein einzigartiges Markenbild nur eine ungeschickt gestrichene Fassade sind, stößt das dem Kunden schnell sauer auf. Dazu kommt, dass die interne Organisation unterschätzt wird: 71% der deutschen Mitarbeiter können mit der Unternehmenskultur ihrer Firma nichts anfangen – weil diese nicht definiert oder so definiert ist, dass sie kaum Praxisbezug hat.
Ersichtlich wird aus diesen Schwierigkeiten: Wer Marketing mit Werten vermischt – oft unvermeidbar und nötig – kann in diverse Fallen tappen, vor denen Eugen Lakkas eindrücklich warnt:
Hochmut kommt vor der Falle
Falle Nr. 1 – Die Normfalle
Hier wird gleich in die Kernwerte des Unternehmens gestochen. Meistgenannt sind in solchen Fällen Konzepte wie Respekt, Ehrlichkeit, Fairness und Menschlichkeit. Unternehmenswerte sollten jedoch nicht mit ethischen Grundprinzipien vermischt werden, denn diese sind zu allgemeingültig. Theoretisch verbinden sie uns mit anderen – aber Marken wollen sich absetzen.
Selbstverständlich spricht nichts dagegen, sich zu moralischen Standpunkten zu bekennen. Sie sollten jedoch nicht zum Markenkern werden. Das Gleiche gilt für weniger Ethik-bezogene Themen, die aber genauso universal sind: Qualität, Dienstleistungsorientierung und Kompetenz. Denn diese Werte werden von Dienstleistern prinzipiell erwartet.
Die Lösung: Fokussieren Sie sich auf Argumente, die nicht an jeder Werbetafel zu lesen sind. Denken Sie um die Ecke, anstatt sich auf etwas zu beschränken, das für den Kunden letztendlich nichtssagend ist.


Falle Nr. 2 – Die Wertewolke
„Wer viel sagt, riskiert, dass nichts hängen bleibt“, warnt Eugen Lakkas. Ist der Versuch, zu überzeugen, ein Wasserfall an Argumenten, entsteht kein scharfes Profil. Man wird austauschbar. Und mal ehrlich: Merken kann man sich eh nicht alle Vorteile. Eine figurative (oder, wie als Tag Cloud auf Webseiten oft abgebildete) Wertewolke verwirrt, verschluckt – und verliert.
Die Lösung: „Reduzieren und Clustern“, rät der Kommunikationsexperte. Einerseits bedeutet das, sich auf wenige Werte zu konzentrieren: Im Idealfall stellen Sie sich Ihren Kunden mit zwei bis drei Stichwörtern vor – niemals mit mehr als vier. Je prägnanter Ihr Versprechen ist, desto erfolgsweisender.
Clustern bedeutet außerdem, Dopplungen zu vermeiden. Wenn Sie Ihre Zuverlässigkeit anpreisen, müssen Sie nicht auch noch auf Ihre Pünktlichkeit hinweisen – das eine steckt schon im anderen. Redundanz nimmt Ihnen nur Ihre Treffsicherheit und den Spielraum, den Sie für Wichtigeres nutzen können.
Falle Nr. 3 – Die Theoriefalle
Sind Ihre Werte überhaupt praxistauglich? Dies sollten Sie sich im Value Marketing immer fragen. Oft sind verwendete Begriffe diffus und generisch, können weitläufig (vielleicht sogar falsch) interpretiert werden. Das sorgt dafür, dass Ihre Grundwerte nicht greifbar sind und Ihre Interessenten nicht mehr als eine grobe Ahnung davon haben, was Sie ausmacht.
Hier ist Vorsicht geboten: Verwenden Sie keine allzu abstrakten Begriffe. Und erklären Sie nicht abstrakte Begriffe durch weitere abstrakte Begriffe. Wollen Sie definieren, inwiefern Wertschätzung in Ihrem Unternehmen eine Rolle spielt, setzen Sie dies nicht mit der Erwähnung eines aufmerksamen Umgangs und enger Zusammenarbeit um.
Die Lösung: Wertekriterien! Das sind in Handlungen heruntergebrochene Werte. Beschreiben Sie, wie Ihre Werte in Ihrem Unternehmen gelebt werden. Welche Prozessregularien gibt es und wie findet der Kunde das im Produkt wieder? Als Arbeitgebermarke erwähnen Sie beispielsweise, inwiefern es Verhaltensregeln unter den Kollegen gibt. Ihre Kriterien müssen quantifizierbar („Nachhaltigkeit bedeutet, dass 85% unserer Komponenten recyclebar sind“) oder für den Kunden selbst im Rahmen der Dienstleistung oder des Produktes erfahrbar sein. Setzen Sie Ihrem Kunden ein buntes und detailliertes Bild in den Kopf.
Falle Nr. 4 – Die Weisungsfalle
Die Mitarbeiter wurden nicht in den Prozess der Wertefindung eingebunden, lediglich angewiesen. Sie leben nicht danach, identifizieren sich nicht damit und lernen auch nichts. Value Marketing muss kein basisdemokratischer Prozess sein. Aber die, die Ihr Unternehmen ausmachen, außen vorzulassen, funktioniert genauso wenig.
Die Lösung: Lassen Sie die Mitarbeiter mit entscheiden – es wird beide Seiten bereichern und Ihr Marketing stabilisieren. Denn wie Eugen Lakkas es so schön begründet: „Mitarbeiter tragen das Unternehmen.“ Ja, Mitarbeiter sind Ihr Unternehmen. „Und wenn die Werte nicht gelebt werden, kann man es nicht nach außen behaupten“. Das geht nur nach hinten los.
Werte in der Unternehmenskommunikation
Value Marketing ist laut dem Kommunikationsexperten weder richtig noch falsch. Es ist ein Instrument, das man gewinnbringend einsetzen kann – oder daran scheitern. Für viele ist das Werteversprechen aber unvermeidlich. Deshalb gilt:
- Vermeiden Sie Allgemeingültigkeit und Austauschbarkeit
- Reduzieren und clustern Sie Ihre Werte
- Wertekriterien: Brechen Sie Ihre Werte auf Handlungen herunter
- Beziehen Sie Ihre Mitarbeiter ein